scirocco 10 - wohn- und geschäftsgebäude, wien
Den Ausgangspunkt für das Projekt bildete ein quasi unbebautes Grundstück mitten im bevölkerungsreichsten Bezirk Wiens. Die Verlängerung der U1 und die Möglichkeit eine nicht mehr benötigte Nebenfahrbahn in die Grundstücksfläche zu integrieren gaben den Ausschlag für die Entwicklung einer multifunktionalen 'Nachverdichtung'. Der Vorplatz zur Troststraße unterstreicht die Funktion des Projektes als „Grätzelzentrum“ und dient als Treffpunkt für NachbarInnen, BewohnerInnen, KundInnen und PassantInnen.
Das Gebäude besteht aus 2 Tiefgeschossen, einem erdgeschossigen Sockelbauwerk, das die gesamte bebaubare Fläche ausfüllt und drei fünfgeschossigen Baukörpern, über die sich als oberer Abschluss ein zweieinhalbgeschossiger Riegel spannt, der nach Westen auskragt. Der Aufbau der Volumen spiegelt auch die Stapelung der Funktionen wider: Einlagerungs- sowie Technikräume, Pkw- und Fahrradstellflächen, Verkaufsflächen, gemeinschaftliche Verteilerplattform, geförderte Wohnungen, frei finanzierte Wohnungen.
Durch das Zurücksetzen der nördlichen Gebäudefront entlang der Troststraße auf die einspringenden Ecken des benachbarten Bestandes wird ein Platzraum gebildet, der über das Einzelbauwerk hinaus weist und Zentrumsfunktion für die Nachbarschaft übernehmen kann. Das großteils in Glas ausgeführte Sockelbauwerk mit der rückspringenden leicht geknickten Fassade verstärkt die räumliche Definition des Vorplatzes und leitet zu den Eingängen der Verkaufslokale. Die Fassaden der Obergeschosse sind in zurückhaltenden Materialien und Farben ausgeführt. Akzente in Farbe und Material setzen Balkonbrüstungen aus Streckmetall und Trennwände aus bedrucktem Glas.
Die viergeschossige Öffnung im Hauptbaukörper schafft Transparenz und ermöglicht trotz hoher Dichte spannende Durchblicke und stärkt den Öffentlichkeitscharakter des Gebäudes ebenso, wie die in diesem Bereich gestapelten Gemeinschaftsbereiche. Die Gemeinschaftsterrasse im OG1 dient als Treffpunkt und Verteilerplattform und verbindet alle 3 Stiegen und die wesentlichen Gemeinschaftseinrichtungen miteinander: Gemeinschaftsraum mit Gemeinschaftsterrasse und eine großzügige Terrasse mit Kleinkinder-, Kinder- und Jugendspielplatz. Im Bereich Stiege 3 führen zwei Treppen direkt zu einem weiteren auf einer Brücke angeordneten Kinder- und Jugendspielbereich und dem Kinderspielraum im OG3.
Die insgesamt 154 Wohnungen gliedern sich in 3 Kategorien: Der Bereich der 88 geförderten und 45 Smart-Wohnungen spannt sich zwischen OG1 und OG4 und ist durch 3 Stiegen erschlossen. Auf Stiege 1 und 3 sind von OG5 bis OG8 21 frei finanzierte Wohnungen angeordnet. Alle Wohneinheiten sind mit Freiräumen in ansprechender Größe ausgestattet. Die Grundrisse sind flexibel nutzbar organisiert und weisen auch nutzungsneutrale Räume auf. Die Vorräume sind zum Teil auch als Spielzimmer oder Computerarbeitsplatz nutzbar, die Küchen bzw. Kochnischen sind wahlweise abtrennbar.
Das Gebäude ist durchgehend barrierefrei gestaltet. Sämtliche Wohneinheiten sind im Sinne des anpassbaren Wohnbaus geplant. Es wurden kompakte und komplette Wohnungstypen angestrebt, die flexibel nutzbar bleiben sollen und unterschiedliche Anforderungen in wechselnden Lebensphasen der Bewohner erfüllen können. Definierte Nassraumzonen und Schachtführungen geben Flexibilität in der Nutzbarkeit der restlichen Bereiche. Eine durchgängige Raumhöhe von 260cm ermöglicht flexible Nutzung der Räume als Wohnung, Büro, Arztpraxis oder Therapieeinrichtung.
Die großzügigen Erschließungsflächen mit mehrgeschossigen Lufträumen bieten Orientierungs- und Kommunikationsraum. Sie sind farblich differenziert mit Lufträumen vertikal erweitert und großteils mit Tageslicht belichtet (Farbgestaltung Ingeborg Kumpfmüller).
Die Hauseingänge sind überdacht und führen in großzügige Eingangshallen mit Zugang zu Treppe und Lift. In Stiege 1 und 3 sind Kinderwagenräume im EG angeschlossen, weitere befinden sich auf den Stiegen 1, 3 und 4 in den Geschoßen. Die Aufzüge auf Stiege 1 und 3 sind für den Transport von Fahrrädern ausgelegt, die großzügigen Fahrradabstellräume befinden sich im UG1 und UG2.
Die 173 PKW-Stellplätze im UG1 und UG2 mit extrabreiten Stellplätzen und Fahrwegen sind über gerade geführte und relativ flache Rampen erschlossen. Die Tiefgarage wird natürlich be- und mechanisch entlüftet. Die Einfahrt befindet sich in der Rissaweggasse, die Ausfahrt in der Wirerstraße. Damit kombiniert ist die Zu- und Abfahrt für die störungsfreie Anlieferung per LKW. Ein großzügiger Aufgang mit Tageslicht, Treppe und 2 großen verglasten Aufzügen führt von den PKW-Stellplätzen im UG1 direkt zum Vorplatz bzw. in den Sparmarkt.
Das Gebäude wurde als Niedrigenergiehaus errichtet und wird mit Fernwärme versorgt. Durch die Situierung der Loggien und Optimierung der Fenstergrößen kann auch passive Sonnenenergie genutzt werden. Der Einsatz von Baustoffen, bei deren Herstellung der CO2-Ausstoß minimiert ist, wurde bevorzugt.
Sehr gute Belichtung, Besonnung und Belüftbarkeit der Aufenthaltsräume ist durchgehend gegeben. Der Schutz gegen sommerliche Überwärmung wird durch Verschattung mittels Loggien oder Außenjalousien gewährleistet.
Fotos: Rupert Steiner